Das gemeinsame Ziel: Digitale Abwicklung vom Antrag bis zur Leistung
Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen sollen ihre Anliegen komplett digital abwickeln und sich damit den Gang in die Behörde sparen können. Wir möchten das Digitale Bürgeramt etablieren! Diesen Weg haben wir in Nordrhein-Westfalen bereits geebnet und das Vorhaben „Von der E-Akte zum digitalen Bürgeramt – Die Digitale Transformation der Landesverwaltung NRW“ getauft, das 2022 beim Wettbewerb „CIO des Jahres“ im Bereich Public Sector unter die Finalisten gewählt wurde. Ich freue mich sehr über die Bestätigung unseres Digitalisierungspfades. Dennoch verlangt ein derart ambitioniertes Ziel die gleichzeitige Arbeit an vielen Baustellen: Onlinezugänge für Kommunikation und Antragstellung, die Binnendigitalisierung für eine papierlose Sachbearbeitung, eine neue Digitalkultur.
Der Mehrwert für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen spielt sich dabei direkt vor dem heimischen Bildschirm, Smartphone oder Tablet ab. Ein Antrag geht online an die Verwaltung, wird dort digital bearbeitet und kommt auf dem gleichen Kanal zurück – das muss für mich der Leitgedanke eines „OZG 2.0“ sein. Ein entsprechendes Pilotprojekt im Ministerium für Schule und Bildung NRW (MSB) wurde von uns dafür bereits auf den Weg gebracht. Daher unterstützen wir das Ziel, bei der Novellierung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) den Nutzen für die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen in den Mittelpunkt zu stellen.
Sowohl bei den internen Abläufen in der Landesverwaltung als auch bei der Leistungsbereitstellung für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen haben wir in Nordrhein- Westfalen bereits viel erreicht. Weit mehr als 50.000 Beschäftigte der Landesverwaltung besitzen die technischen Voraussetzungen für die mobile Arbeit im Homeoffice oder unterwegs. Über die zentralen Übergänge in das Internet arbeiten regelmäßig mehr als 30.000 Beschäftigte gleichzeitig. Dabei sind die Bereiche Finanzen und Polizei nicht einmal mitgezählt, da sie eigene Systeme haben. Heute stehen an mehr als 24.000 Arbeitsplätzen der Landesverwaltung die Basiskomponenten der Elektronischen Verwaltungsarbeit (EVA) bereit. Das sind die E-Laufmappe für digitale Abstimmungsprozesse, die E-Akte, die digitales, flexibles und ortsungebundenes Arbeiten zur Selbstverständlichkeit werden lässt, und das Ersetzende Scannen. Papier ist in unseren Büros nicht mehr das standardmäßige Betriebsmittel. Das ist ein starkes und verlässliches Rückgrat für das Digitale Bürgeramt im Sinne eines OZG 2.0.
Arbeitsteilige Digitalisierung ist im Föderalismus essenziell
Keine Frage, das OZG hat in der öffentlichen Verwaltung bereits für einen enormen Digitalisierungsschub gesorgt und mit dem „Einer für Alle“-Prinzip den Grundstein einer Nachnutzungskultur im öffentlichen Sektor gelegt. Diese Verteilung der Digitalisierungsarbeit auf mehrere Schultern ist für mich zum zentralen Prinzip geworden: Was einmal entwickelt wurde, muss nicht noch ein zweites Mal entwickelt werden. Nachnutzung ist Zeitersparnis, Wissenstransfer und Ressourcenschonung zugleich. So setzt NRW zum Beispiel ein zentrales Portal zur Bürgerbeteiligung (Beteiligung. NRW) ein. Basis dafür ist eine Beteiligungssoftware, die ursprünglich vom Land Sachsen entwickelt, kostenlos zur Verfügung gestellt und von uns für NRW nutzbar gemacht wurde. Mittlerweile macht auch das Land Hessen mit.
Ein anderes Beispiel ist das Nutzerkonto des Bundes – BundID. Hierüber können Verwaltungsleistungen von Bund, Land und Kommunen in Anspruch genommen werden. Wir in NRW schließen uns BundID ebenfalls an. Damit setzen wir auch hier auf das Konzept Nachnutzung und vermeiden Doppelstrukturen. Diese Formen der arbeitsteiligen Digitalisierung machen es möglich, das Digitale Bürgeramt über alle föderalen Ebenen in Bund, Ländern und den Kommunen zu etablieren.
Wir benötigen mehr Digitalkompetenz, mehr Umsetzungsmut
Digitalisierung der Leistungen und Abläufe ist die eine Sache. Eine vollständige digitale Transformation benötigt Digital-Expertinnen und -Experten und macht auch vor gewohnten Strukturen nicht Halt. Der Gedanke „Was wir vorher analog gemacht haben, bilden wir jetzt einfach digital ab“ ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen „echte“ digitale Leistungen schaffen. Daher ist Digitalisierung des öffentlichen Sektors für mich gleichzeitig verbunden mit dem Appell: Digitalisierung lebt von neuen Ideen und manchmal radikalen Ansätzen. Testen und erproben Sie Ihren Ansatz frühzeitig und nicht erst, wenn die Lösung nach Jahren der Entwicklungsarbeit „perfekt“ erscheint – kurzum: mehr Agilität, weniger Bedenken.
Eine Konsequenz daraus: Wir benötigen mehr Digital- Fachkräfte, die am besten auch noch etwas von Verwaltung verstehen. Den Bedarf neuer Fort- und Weiterbildungskonzepte, um eine flächendeckende Ausstattung mit Digitalkompetenz in der Verwaltung zu erreichen, haben wir längst erkannt. Ein gutes Beispiel hierfür ist der eGov-Campus (www.egov-campus. org). Er ist eine Online-Bildungs- und Weiterbildungsplattform speziell für digitale Verwaltung, die wir über den IT-Planungsrat ins Leben gerufen haben. Das Angebot steht kostenlos zur Verfügung und die Plattform bietet noch viel Platz für weitere E-Government- Interessierte.
Digitale Verwaltung: Standortfaktor und Vertrauensgarant
Eines ist mir abschließend noch wichtig: Mit einer digitalen Verwaltung schaffen wir Mehrwert für Gesellschaft und Wirtschaft. Der Weg ins Digitale Bürgeramt verspricht mehr als Effizienzgewinne und Vereinfachungen für Bürgerinnen, Bürger, Unternehmen, Verbände und die Verwaltung selbst. Es geht um nicht weniger als das Vertrauen in einen leistungsfähigen und modernen Staat. Die Bürgerinnen und Bürger stellen an öffentliche Leistungen die gleichen Service-Erwartungen wie beim Online-Shopping oder -Banking. Ähnlich verhält es sich mit Unternehmen: Werden Genehmigungsverfahren schneller, die behördliche Interaktion reibungsloser, dann wird der Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltung zu einem wichtigen Standortfaktor. Dieser Aspekt ist für die Wettbewerbsfähigkeit des Technologielands Deutschland nicht zu unterschätzen.
So wichtig eine digitale Verwaltung für Gesellschaft und Wirtschaft auch ist, die Türen der Verwaltung stehen weiterhin für den Kontakt vor Ort oder die persönliche Beratung offen. Das digitale Bürgeramt trägt den Erwartungen an digitale Leistungen Rechnung, schließt Menschen mit anderen Bedürfnissen und Präferenzen aber nicht aus. Bürgerinnen und Bürger, die den persönlichen Kontakt besonders schätzen, Beratungsleistungen in Anspruch nehmen oder keinen geeigneten digitalen Zugang besitzen, können sich auch künftig auf einen bewährten, vertrauten und inklusiven Service verlassen.
Der Blick quer durch die Republik zeigt bereits jetzt, dass moderne Arbeitsweisen im öffentlichen Dienst angekommen sind, Experimentierfreude in vielen Digitalisierungslaboren gelebt wird und viele Verwaltungsleistungen digital zur Verfügung stehen: Die Weichen für einen digitalen Staat sind gestellt – jetzt kommt es darauf an, kräftig Fahrt aufzunehmen!
Es geht um nicht weniger als das Vertrauen in einen leistungsfähigen und modernen Staat.
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