Der Wert der Klimaresilienz – Frankfurt diskutiert die neue Realität zwischen Risiko, Rendite und Verantwortung

Die Diskussion über Klimaanpassung wird konkreter – und dringlicher. Denn die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels sind längst keine Zukunftsfrage mehr: steigende Schäden durch Extremwetter, teurerer Versicherungsschutz, sinkende Gebäudewerte und wachsender Kapitaldruck auf nicht resiliente Unternehmen.

Vor diesem Hintergrund lud das Handelsblatt gemeinsam mit Vonovia SE am 8. Oktober 2025 in Frankfurt zum dritten Roundtable im Rahmen der Handelsblatt Konferenz „Corporate Climate Adaptation“ ein.
Das Thema: „Der Wert der Klimaresilienz – Was die Realwirtschaft von Banken und Versicherungen erwartet (und umgekehrt)“.
Mit auf dem Podium:

  • Philipp Bäcker, Leiter Nachhaltigkeit, R+V Versicherung AG
  • Daniel Schleifer, Strategie, Unternehmensentwicklung & Nachhaltigkeit, Vonovia SE
  • Lars Werner, Leiter Projects & Innovation, Group Credit Risk – Corporate Clients, Commerzbank AG
  • Moderation: Yasmin Osman, Handelsblatt

Das Dreieck der Klimaanpassung: Realwirtschaft, Banken und Versicherungen

Das Gespräch machte deutlich: Zwischen diesen drei Akteuren entscheidet sich, ob Klimaanpassung tatsächlich zur ökonomischen Selbstverständlichkeit wird.

Versicherer spüren die Veränderungen längst direkt in ihren Schadensstatistiken. Allein 2024 summierten sich in Deutschland die versicherten Schäden durch Starkregen, Überschwemmungen, Sturm und Hagel auf rund 5,7 Milliarden Euro. Banken erkennen, dass sich physische Klimarisiken zunehmend auf Bonität, Sicherheiten und Kapitalanforderungen auswirken. Und die Realwirtschaft steht unter Druck, Geschäftsmodelle, Standorte und Lieferketten klimaresilient zu gestalten – ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Doch wer treibt die Transformation? Während die Realwirtschaft auf marktfähige Finanzierung und Versicherung angewiesen bleibt, fordern Banken und Versicherer mehr belastbare Risikodaten, Szenarien und Bewertungslogiken. „Wir können als Finanzdienstleister nicht schneller sein als die Realwirtschaft, aber wir müssen verlässliche Begleiter der Transformation sein.“, Philipp Bäcker, R+V Versicherung

Was die Fachleute u.a. diskutierten: 

  • Mit welchen Klimaszenarien sollen wir rechnen? Was ist der Base Case? Welche sonstigen Szenarien sollten wir als möglich betrachten? Und dann: Was bedeutet das konkret für die zukünftigen Klimaauswirkungen
  • Welche Herausforderungen entstehen durch zunehmende Extremwetterereignisse? 
  • Wie priorisiere ich Anpassungsmaßnahmen wirtschaftlich sinnvoll?

Gleichzeitig zeigten sich die systemischen Abhängigkeiten deutlich: Banken verlassen sich bei Risikobeurteilungen u.a. auf die Bewertungen der Versicherer.
Doch was passiert, wenn Versicherungsschutz für Gebäude oder Anlagen irgendwann unbezahlbar wird? Bleiben dann auch die Kredite aus – und wie soll die Transformation dann finanziert werden?

Die blinden Flecken: Kurzfristigkeit und Datenlücken

Eine zentrale Erkenntnis des Abends: Viele Risikomodelle schauen zu kurz und zu sehr in den Rückspiegel.

„Risikomodelle werden -auch auf Basis regulatorischer Anforderungen an Modelle- auf Basis von historischen Daten gebaut. Dies funktioniert nun bei Klima aber nicht gut, da Zusammenhänge in der Zukunft womöglich anders sind, als wir sie in der Vergangenheit beobachtet haben. Deshalb müssen wir andere Wege finden und z.B. mit Szenarien arbeiten. Und wir müssen auch akzeptieren, dass wir hier mit Unsicherheiten in der Quantifizierung leben müssen.“, Lars Werner (Commerzbank) 

Die Diskussion über Zeithorizonte zog sich durch den ganzen Abend: Viele Kredit- und Versicherungsbewertungen operieren mit Planungszeiträumen von drei bis fünf Jahren – ein Rahmen, der für „enkeltaugliches Wirtschaften“ schlicht zu kurz ist. Damit wurde klar: Die derzeitige Kurzfristigkeit verhindert langfristig sinnvolles Handeln. Transformation erfordert einen Zeithorizont jenseits der klassischen Risikomodelle – und ein neues Mindset in allen drei Sektoren.

Von Risiko zu Investition – und von Daten zu Dialog

Daniel Schleifer (Vonovia) brachte es in seinem Debrief auf den Punkt: „Alle Akteure müssen die Herausforderung bewältigen, zukünftige Entwicklungen nicht mit Erfahrungswerten der Vergangenheit zu bewerten. Es braucht einen offenen Austausch jenseits der CSRD-Berichterstattung, um Risiken und Anpassungsstrategien wirklich zu verstehen.“

Die bisherige Datenbasis – etwa aus der CSRD – ist dafür kaum geeignet. Gefordert ist ein sektorübergreifender Dialog, nicht über Formate, sondern über gemeinsame Bewertungslogiken, den wirtschaftlichen Wert von Prävention und den entsprechenden Maßnahmen. Versicherung wird damit zum Partner in der Risikominderung, nicht nur zum Kostenträger im Schadensfall. Prävention, Partnerschaften und neue Anreizmechanismen gewinnen an Bedeutung – ein Trend, den Versicherer und Banken gemeinsam gestalten müssen.

Zwischen Risiko und Rendite: Wer treibt die Anpassung?

Am Ende blieb die Kernfrage: Wer übernimmt die Führungsrolle bei der Klimaanpassung? Die Diskussion zeigte, dass jede Branche ihre eigenen Treiber hat – aber echte Resilienz entsteht nur im Zusammenspiel:

  • Realwirtschaft, die in Anpassung investiert, um Betriebsfähigkeit und Wert zu sichern.
  • Versicherer, die Prävention fördern und Risiken realistisch bepreisen.
  • Banken, die Resilienz als Bestandteil der Risikobeurteilung in der Finanzierung verstehen.

Das erfordert Mut, neue Bewertungslogiken und eine gemeinsame Definition wirtschaftlicher Zeiträume. Denn Anpassung ist kein 5-Jahres-Projekt, sondern eine strukturelle Transformation – in Geschäftsmodellen, Governance und Finanzlogik.

Ein Abend zwischen Analyse und Symbolik

Während die großen Fragen – von der Finanzierung bis zur Wertebasis – offenbleiben, sorgte ein kleines Detail am Rande für Nachdenken: Das Veranstaltungs-Hotel in Frankfurt pflanzt bereits Olivenbäume und in den Zimmern hängen Schwimmwesten – Ausblick auf eine neue Zeit?

Wie eine Teilnehmerin nach dem Roundtable sagte: „Ich habe wohl zum ersten Mal richtig verstanden, wie wichtig das Zusammenspiel von Banken, Versicherungen und Realwirtschaft ist, um in Klimaschutz und Klimaresilienz wirklich voranzukommen.“ 

Fazit: Der Dialog hat begonnen

Die Teilnehmenden waren sich einig: Es passiert viel – aber noch nicht genug, um den kommenden Klimafolgen angemessen zu begegnen.
Der Frankfurter Roundtable zeigte, dass Resilienz zur gemeinsamen Sprache zwischen Wirtschaft, Banken und Versicherungen werden kann – wenn der Dialog offen, ehrlich und langfristig geführt wird.

Fortsetzung folgt – auf der Handelsblatt Konferenz Corporate Climate Adaptation am 30./31. Oktober in Düsseldorf.