Der Digitale Zwilling – unverzichtbar, wenn es um Nachhaltigkeit geht

Was ist ein Digitaler Zwilling? Betrachtet man das digitale Abbild eines real existierenden Assets, sprechen wir vom Digital Twin. Dieser Digitale Zwilling kommt dabei nicht nur während der Planungsphase zum Tragen, sondern begleitet das Asset im Idealfall während seines gesamten Lebenszyklus. Fest steht jedoch: der Begriff wird sehr vielfältig verwendet, es gibt also nicht „einen“ Digital Twin, sondern viele verschiedene.

Dr. Kurt D. Bettenhausen

Daher bietet es sich meiner Meinung nach an, ihn entsprechend eines Stufenmodells zu kategorisieren – gemäß den verschiedenen fünf Ebenen, wie sie auch bei der Definition des automatisierten Fahrens verwendet werden. Angefangen beim „assistierten Fahren“ bzw. simplen Assistenzsystemen auf der niedrigsten Stufe bis hin zum „vollautonomen Fahren“ auf der höchsten. Für den Digitalen Zwilling wären die Entsprechungen: beispielsweise eine CAD-Zeichnung auf Stufe eins und auf der fünften Ebene dann wiederum das komplette, den Lebenszyklus übergreifende digitale Abbild. Auf dieser höchsten Stufe ist eine permanente Verbindung des Digitalen Zwillings mit dem realen Asset vorhanden. Darüber hinaus spielen hier eine Vielzahl an Sensorinformationen eine Rolle, die sich beispielsweise auf Alterungs- und Verschleißprozesse oder Modifikationen des Assets beziehen. Anhand dieser Daten des Digital Twin lassen sich wiederum Rückschlüsse auf den Zustand des realen Objekts ziehen.

Wie hängen Digitaler Zwilling und Nachhaltigkeit zusammen? Dadurch, dass wir als Technologiegruppe Digitale Zwillinge für unsere Produkte bereitstellen und auch selbst einsetzen, schaffen wir für unsere Kunden und uns selbst einen eindeutigen Nutzen – insbesondere, wenn es um eine Transparenz von Nachhaltigkeitsaspekten geht, etwa dem Product Carbon Footprint (PCF). Noch vor der eigentlichen Entstehung ist es mithilfe des Digital Twins und seinen Modellierungs-, Simulations- und damit Prädiktionsfähigkeiten möglich, die Effizienz in der Verwendung eines Produkts, eines Systems oder einer Anlage zu messen, zu bewerten und weitere Rückschlüsse zu ziehen. Diese Transparenz erstreckt sich bis zum Ende des Lebenszyklus. Der Digitale Zwilling trägt Informationen in sich, die man ohne ihn nicht aus dem Produkt ablesen kann: Welche einzelnen Bestandteile umfasst das Produkt, wie wurde es produziert und welche Energie wurde für die Produktion aufgewendet? So ist beispielsweise die Trennung in seine einzelnen Stoffeinheiten notwendig, um ein Produkt wiederzuverwenden zu können. Der Digitale Zwilling übermittelt die einzelnen Bestandteile eines Produkts, um sie dann sortenrein zu trennen und dem Stoffkreislauf zuzuführen.   

Wie wird der Digitale Zwilling bereitgestellt? Als Rahmen dient uns hier die Asset Administration Shell (AAS), eine neutrale und von Allen anwendbare Plattform, die wir unterstützen und in entsprechenden Gremien aktiv vorantreiben. Sie ist für uns die überlagerte Klammer, um verschiedenartige Produktinformationen zur Verfügung zu stellen. Diese gehen dabei weit über Daten wie etwa geometrische Einbaumaße hinaus. Wir sprechen an dieser Stelle vom sogenannten „Cradle-to-Gate-PCF“, also dem Product Carbon Footprint, der das Produkt im Lebenszyklus von seiner Geburtsstätte (Cradle) bis zu unserer Tür (Gate) begleitet, bevor die Auslieferung an den Kunden beginnt. Damit der Anwender den PCF im Produktlebenszyklus dann selbständig erweitern bzw. fortschreiben kann, steht die die AAS als interoperables Tool zur Verfügung. Mehr als 18.800 HARTING Produkte haben wir schließlich auf der diesjährigen HANNOVER MESSE auf der Grundlage der Asset Administration Shell bereitgestellt. Auf der SPS 2023 haben wir unser Angebot noch einmal erweitert: Auf der Grundlage der bislang bekannten Rahmenbedingungen, haben wir 100 unserer Produkte zusätzlich mit einem Digital Product Passport DPP und Informationen zum Product Carbon Footprint PCF zur Verfügung gestellt. Uns ist es wichtig, als Technologieführer frühzeitig in den Dialog mit unseren Kunden und Partnern zu gehen, um die weiteren Entwicklungen aktiv begleiten zu können.