Die Einsamkeit der Geschäftsleitung in der Krise

Die Krise des Unternehmens ist für das Management immer eine besondere Herausforderung. Fast alle Kräfte müssen auf den Erhalt des Kundenvertrauens, auf die Stabilisierung der Beschaffung, auf die Motivation der Belegschaft und auf die betrieblichen Abläufe fokussiert werden. Damit nicht genug kommen auch noch brennende Fragen der Finanzierung und des rechtlichen Umfelds bis hin zur persönlichen Haftung hinzu. Dies beschreibt einen Schleudersitz, der gerade für eine Geschäftsleitung, die nicht am Unternehmen beteiligt ist, unzumutbar ist. Qualifizierte Beratung und ggf. ein sanierungserfahrenes Interimsmanagement sind praktisch die Mittel der Wahl.

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Artikel aus dem Handelsblatt Journal Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz vom 25.04.2024

Wem gegenüber ist die Geschäftsleitung in der Krise verpflichtet?

Die Fremdgeschäftsleitung muss in der Krise den rechten Weg zwischen den Interessen des Unternehmens, der Eigner, der Gläubiger und den eigenen Interessen ausloten. Der Geschäftsleitung kommt daher zur Bewältigung der Krise eine Schlüsselrolle zu. Der auf dem Management lastende Druck ist enorm.

Die Rolle des Fremdmanagement wird betriebswirtschaftlich in der Prinzipal-Agent-Theorie beschrieben und analysiert. Diese Theorie bezieht sich auf das Verhältnis zwischen den Eignern des Unternehmens (Prinzipal) und dem Management (Agent). Sie behandelt u.a. die sich aus dieser Konstellation ergebenden Probleme der unterschiedlichen Motivationen, der asymmetrischen Informationen und auch verborgene Umstände. Nicht betrachtet werden die Veränderungen der Ausgangslage in der (zunehmenden) Krise des Unternehmens. Aufgrund des „shift of duties“ hat das Management bei unternehmerischen Entscheidungen immer mehr (auch) die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen. Kurzum, das Management hat immer mehr auf einen weiteren Prinzipal, nämlich die Gläubiger zu achten.

Viele offenen Fragen, wenig konkrete Antworten

Das ist einfach gesagt, doch sind die Details nur wenig geklärt und nicht immer leicht zu beantworten. Wie lange genügt es, auf das mutmaßliche Interesse der Gläubiger Rücksicht zu nehmen? Wann wird eine tatsächliche Abstimmung mit den Gläubigern erforderlich? Darf das Management auch ohne Einwilligung der Eigner mit den Gläubigern über die Krise kommunizieren? Mit wem ist zu kommunizieren, wenn von den Gläubigern die Rede ist? Es gibt außergerichtlich keine praktische, geschweige denn institutionelle Übung einer Abstimmung „mit den Gläubigern“. Gesicherte und Großgläubiger verfolgen häufig Partikularinteressen, die sich nicht hauptsächlich am Unternehmensinteresse, bzw. die Interessen der Gesamtgläubigerschaft orientieren.

Die Rolle des Gläubigers in der Krise ist uneinheitlich

Auch in der going concern-Phase des Unternehmens können die Eigner sehr heterogene Interessen verfolgen. Die Gesellschafterversammlung, bzw. die Hauptversammlung bündelt diese Interessen, so dass auch eine heterogene Eignerstruktur die Funktion als Prinzipal gegenüber dem Management ausfüllen kann. Dies ist bei der Gesamtheit der Gläubiger nicht der Fall. Es gibt im Vorfeld eines StaRUG- oder Insolvenzverfahrens keine allgemeinverbindliche Gläubiger Versammlung. Es ergibt sich im Gegenteil oft ein Wettlauf der Gläubiger (concursus creditorum), der sich danach orientiert, ob und inwieweit die Gläubiger noch im Geld sind, d.h. gesichert sind oder sonst zumindest eine Quote bei einem Scheitern erwarten dürfen. „Where the money breaks“ markiert wie eine Demarkationslinie den Splitt zwischen zwei Lagern: den mutmaßlichen Förderern und den Feinden eines Sanierungsvorhabens. Es gibt bei den Gläubigern gedanklich daher meist nicht nur einen Prinzipal, sondern meist zwei. Die Gläubiger sind überdies untereinander oft nicht organisiert, so dass eine einheitliche Willensbildung schwerfällt. In der Krise ist die Rolle der Gläubiger als neuen Prinzipal daher meist diffus.

Die Herausforderungen für das Management

Schließlich darf das zwischen allen Stühlen sitzende Fremdmanagement auch die eigenen Interessen nicht vernachlässigen. Das risk-reward-Verhältnis zwingt oft selbst gutverdienende Fremdgeschäftsleiter angesichts möglicherweise existenzbedrohender Haftungsrisiken eindeutig zum Selbstschutz.

Wer die Rituale und Zeitspannen der Abstimmung mit den drei Prinzipals (Eigner, Gläubiger im Geld, Gläubiger aus dem Geld) in der haftungsträchtigen Phase immer weiter abschmelzender Mittel kennt, die seit dem 01.01.2024 wieder für zwölf Monate reichen müssen, hat eine Ahnung von der Einsamkeit der Geschäftsleitung in der Krise.

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